Rezension Marten de Trieste Voll neben dem Gleis


 

Kurzmeinung: Berührend, emotional packend, tieftraurig, läßt einen nicht kalt und wirkt definitiv lange nach! Wichtiges, gut geschriebenes und profunde!

Verlorene Seele ( n )


Es ist kein Mysterium, daß ich Borderlinerin bin. Deswegen, aber nicht nur, geht mir dieses Buch ganz besonders nahe. Jeder Mensch, der nicht emotional verkümmert ist, dürfte dieses Buch nahegehen. 

Marten de Trieste hat die authentischen biographischen Erlebnisse und das Leid Mayas in diesem Buch literarisch umgesetzt und mit fiktionalisierten Elementen ergänzt, die aber auf akribischer Recherche beruhen. Dazu später mehr.

Maya arbeitet als Aushilfe in einer Buchhandlung. Sie hat ein abgebrochenes Studium des Graphikdesigns hinter sich sowie eine leidvolle Geschichte als Borderlinerin und der Depressionen. Ihre Traumata liegen in der Herkunftsfamilie und der Kindheit sowie Jugend begründet. Sie war schon lebensgefährlich magersüchtig und schnitt sich selbst schon viele Male. Sie ist 25 Jahre alt, 175 cm und wiegt 50 Kilo als sie den verheirateten, 40jährigen Michael kennenlernt. 

Er holt ein bestelltes Buch bei ihr ab. Er ist zugleich von ihr fasziniert. Von ihrer Schönheit und ihrer außergewöhnlichen Aura. 

Sie freunden sich an, aber schon bald wird mehr daraus. Sie "gesteht" ihm, Borderlinerin zu sein. Er macht sich erst schlau, ist aber von der Komplexität dieser Persönlichkeitsstörung schier überwältigt. Vor allem mit ihrer Beschreibung der "inneren Leere" kann er nicht viel anfangen. ( Dafür bin ich damit umso vertrauter, leider! )

Sie beginnen eine Affäre, aber ihre "Sprunghaftigkeit", ihre Nähe und dann ihre Zurückweisung, das ganz kurzfristige Absagen von Dates, ihre "seltsamen" Reaktionen, "unangemessenes" Verhalten, vermeintliche Launenhaftigkeit irritieren, verwirren, verärgern ihn. Aber er erkennt all das Lichte und Wunderschöne in ihr, auch wenn sie selber es nicht kann oder will.

Er verliebt sich immortal in sie. Seine Ehe ist mittlerweile mehr Schein als Sein. Das war sie bereits, bevor er Maya kennengelernt hatte. 

Allerdings führt das unmögliche Verhalten von Mayas Schwester, Mutter und einem weiteren Verwandten immer wieder zu schweren Krisen. 

Ihr Ex-Freund Tim, mit dem sie noch gut befreundet war, stirbt an Krebs. Er war circa in ihrem Alter. Nicht lange danach auch noch eine Freundin von früher, Susanne, ebenfalls Krebs. Diese Schläge zerstören sie beinahe.

Arbeitslos, muß sie sich ebenso vom Arbeitsamt ( ARGE / HartzIV ) demütigen lassen und bekommt alle möglichen finanziellen Forderungen, an denen sie größtenteils unschuldig ist, wenn man ihr ihre damalige Naivität nicht zum Vorwurf machen will. 

Trotz der schwindligmachenden Achterbahnfahrt, den Loopings und den Auf und Abs hält Michael unverdrossen zu ihr. Er gibt sie nicht auf.

Kann und wird ihre Liebe eine Chance und Zukunft haben, vor allem als eine neue gefährliche Krisis dräut?

Im Epilog schreibt der Autor, daß das Werk zwar ein Roman sei, der Inhalt aber größtenteils auf realen Ereignissen und Erlebnissen Mayas und Michaels beruht. Viele Dialoge zitieren wörtlich SMSen, Emails und Briefe.

Marten de Trieste hat Maya und Michael sehr würdig Stimmen verliehen. Das Buch ist eine schmerzliche Ballade des Leids, des Kummers, des Schmerzes. Aber immer wieder blitzen sachte linde Strahlen auf, die die undurchdringliche Wand der Finsternis manchmal temporär perforieren. 

Die Liebe von Michael erweckt bei mir die Impression, wahrhaftig und pur, profund zu sein. Denn wie er auf multipelsten Ebenen für Maya bedingungslos da ist ist einfach nur: Wow! Natürlich ist er auch nur ein Mensch und man kann seine Irritation, Verwirrung, Enttäuschung und Verärgerung in den jeweiligen Situationen sehr gut nachvollziehen. Deswegen ist sein Standhaftigkeit umso bewundernswerter, weil rar gesäht. Wieviele andere hätten die verstörte Maya einfach fallenlassen? 

Das Buch berührt so tief und bringt etwas in mir zum Klingen. Des öfteren mußte ich bei der Lektüre weinen. 

Der Autor hat große Empathie für Maya und Michael, voller Warmherzigkeit und Sympathie. Nebenbei noch versteht er es, scharfe, sehr berechtigte Kritik an den Jobcentern zu üben. Na klar! Auf einmal ist man kein Bittsteller mehr, sondern Kunde! Daß ich nicht lache! 


Über Borderline herrscht noch sehr viel Unkenntnis, Klischees und Vorurteile. Deswegen sind Bücher wie dieses hier extrem wichtig, um endlich mit solch weit verbreitetem "Müll" aufzuräumen, der noch in vielen Köpfen haust. 


Danke, Marten de Trieste! 





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